Dr. Anja Franz
Dr. Anja Franz
Institut I - Bildung, Beruf und Medien -
- 2017 Promotion (Dr. phil.) an der Fakultät für Humanwissenschaften an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Titel der Dissertation: Sukzessiver Rückzug aus dem wissenschaftlichen Feld. Eine Grounded-Theory-Studie zu Abbrüchen von Promotionsvorhaben in Deutschland.
- Seit 2012 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Internationale und Interkulturelle Bildungsforschung
- 2010 bis 2015 Promotionsstudium "Qualitative Bildungs- und Sozialforschung" an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
- April bis Juni 2012: Aufenthalt als Gastwissenschaftlerin an der Penn State University / College of Education bei Prof. David Baker (DAAD-Doktorandenstipendium)
- Januar bis März 2012: Aufenthalt als Gastwissenschaftlerin an der Stanford University / School of Education bei Prof. Anthony Lising Antonio (DAAD-Doktorandenstipendium)
- 2010 bis 2012 Lehrbeauftragte für Bildungssoziologie an der HS Magdeburg-Stendal
- 2008 bis 2012 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Hochschulforschung Wittenberg (HoF), Mitarbeit u.a. im Projekt “Wer lehrt was?”
- 2005 bis 2008 Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Hochschulforschung Wittenberg, Mitarbeit u.a. am "Bundesbericht zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (BuWiN)"
- 2005 bis 2008 Wissenschaftliche Hilfskraft am Zentrum für Bildungsforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (ZSB), Mitarbeit u.a. im Projekt "Prozessmonitoring und summative Evaluation von Ganztagsschulmodellen in Sachsen-Anhalt"
- Studium der Erziehungswissenschaft und der Soziologie an der Universität Halle-Wittenberg und der Universität Leipzig (Magister Soziologie / Erziehungswissenschaft), Studium des Industriedesigns (Fachrichtung Spiel- und Lernmitteldesign) an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (Diplom-Designerin)
Monographien und Herausgeberschaften
in Vorbereitung/im Erscheinen:
- mit Juliane Engel, André Epp, Maria Kondratjuk, Anke Wischmann und Dorothee Schwendowius (Hg.): Ungewisse Zukünfte. Bildung und Biographie angesichts gesellschaftlicher Transformationen, Schriftenreihe der DGfEKommission Qualitative Bildungs- und Biographieforschung. Opladen: Barbara Budrich, erscheint im Frühjahr 2025
2020, mit Sandra Beaufaÿs und Svea Korff (Hg.): Ausstieg aus der Wissenschaft. die hochschule. journal für wissenschaft und bildung. 1/2020.
2018: Symbolischer Tod im wissenschaftlichen Feld. Eine Grounded-Theory-Studie zu Abbrüchen von Promotionsvorhaben in Deutschland. Wiesbaden: Springer VS.
Aufsätze in Fachzeitschriften und Sammelbänden
in Vorbereitung/im Erscheinen:
- mit Svea Korff: Wenn das Wissenschaftssystem keine Perspektive mehr bietet. Vorläufige Verbleibs- und Ausstiegsentscheidungen (unter Unsicherheit) in der Postdoc-Phase. In: Böwer, Michael/Krüger, Christine (Hg.): wissenschaffend. Sozialmagazin Themenheft 1-2/2025 (peer reviewed).
- mit Kolja Briedis und Svea Korff: Abbruchgedanken und Abbrüche von Promotionsvorhaben: ein Geschlechtervergleich. In: Franzke, Astrid (Hg.): „Gleichstellung im Wandel“ - Neue Herausforderungen und Wege der Karriereentwicklung von Frauen in der Wissenschaft: Ulrike-Hemer-Verlag.
2024, mit Rebecca Daniel, Stefanie Heger und Elisabeth Sommer: Promotion mit Kind – zum Scheitern verurteilt? Explikationen zur Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft im Kontext von Promotionsabbrüchen. In: König, Karsten/Kessler, Stefanie (Hg.): Scheitern in Praxis und Wissenschaft der Sozialen Arbeit: Reflexions-und Bewältigungspraktiken von Fehlern und Krisen: Beltz-Juventa, S. 157-174.
2024, mit Dorothee Schwendowius: Enttäuschte Idealbilder und die Verschränkung mit der eigenen Wissenschaftskarriere. In: Hoffmann, Stefanie/Tiefel, Sandra/Walterbach, Verena (Hg.): Ideale in der Wissenschaft (peer reviewed). Open Access, Universität Magdeburg.
2023, mit Svea Korff und Kolja Briedis: Bessere Daten, unveränderte Herausforderungen?! Promovieren in der Erziehungswissenschaft. In: Erziehungswissenschaft 66, 34(1). Verlag Barbara Budrich: 25-38.
2022: Die Rolle kritischer Betreuungsereignisse beim Abbruch von Promotionsvorhaben. In: Korff, Svea/Truschkat, Inga (Hg.): Übergänge in Wissenschaftskarrieren. Wiesbaden: Springer VS, S. 17-32.
2021: Abbrüche von Promotionsvorhaben. In: Dülcke, Dana/Moes, Johannes/Plietzsch, Anton/Schülein, Jessica/Steidten, Torsten (Hg.): Promovieren mit Perspektive: Das GEW-Handbuch zur Promotion: UTB, S. 306-314.
2021, mit Solvejg Jobst: The Field of Intercultural Education and Democracy. Intercultural Research in Critical and Democratic Perspektive. In: Werler, Tobias/Herheim, Rune/Hiis Hauge, Kjellrun: Lived Democracy (peer reviewed): Routledge, S. 40-53.
2020, mit Sandra Beaufaÿs und Svea Korff : Ausstieg aus der Wissenschaft Zur Einleitung. In: Beaufaÿs, Sandra/Franz, Anja/Korff, Svea (Hg.): Ausstieg aus der Wissenschaft. die hochschule. journal für wissenschaft und bildung. 1/2020.
2020, mit Gesche Brandt: Promotionsabbrecher*innen in Deutschland. Stand der Forschung und Perspektiven. In: Beaufaÿs, Sandra/Franz, Anja/Korff, Svea (Hg.): Ausstieg aus der Wissenschaft. die hochschule. journal für wissenschaft und bildung. 1/2020.
2020: Buchbesprechung Óhidy, Andrea/Forray, Katalyn R. (2019): Lifelong Learning and the Roma Minority in Central and Eastern Europe. In: International Dialogues on Education: Past and Present. Volume 7, Number 1.
2019: Sechs Phasen bis zum Promotionsabbruch: Kritische Ereignisse im Abbruchprozess von Promotionsvorhaben. In: Pohlenz, Philipp/Kondratjuk, Maria (Hg.): Die Organisation von Hochschulen in Theorie und Praxis. Forschungen zur Reform des Wissenschaftsbetriebes: Barbara Budrich Verlag, S. 51-65.
2018, mit Stefanie Lübcke und Fabian Mußél: The privilege of being politically active - a qualitative study on the political commitment of university students. In: International Dialogues on Education: Past and Present. Volume 5, Number 2: 91-102.
2017, mit Henrike Genzel: Entscheidungsfindung für einen internationalen Freiwilligendienst: Welche Rolle spielen soziale Herkunft und Bildungsverlauf der Freiwilligen? In: International Dialogues on Education: Past and Present. Volume 4, Number 3: 83-102.
2017: Von der Irritation bis zur Abbruchentscheidung. Kritische Ereignisse im Abbruchprozess von Promotionsvorhaben. In: Magdeburger Beiträge für Hochschulentwicklung. Nr. 6/August 2017: 6-17.
2017, mit Dietrich-Eckhard Franz: Bedeutende Sozialutopien im Kontext des deutschen Bauernkrieges und der Lutherischen Reformation: Thomas Müntzer, Michael Gaismair und Johann Hergot. In: International Dialogues on Education: Past and Present. Volume 4, Number 2: 48-61.
2016, mit Dietrich-Eckhard Franz: „Christianopolis“ als Utopie der Bildung, Erziehung und Wissenschaft nach Johann Valentin Andreae (1586-1654). In: International Dialogues on Education: Past and Present. Volume 3, Number 2: 12-19.
2016, mit Susan Salzbrenner und Tanja Schulze: The Intercultural Profession in the Past Decade. In: Jia, Wenshan (Ed.): Intercultural Communication for an Inclusive Global Order. First Edition. San Diego: Cognella, Inc.: 527-540.
2015: Buchbesprechung Renz-Polster, Herbert (2014): Die Kindheit ist unantastbar. Warum Eltern ihr Recht auf Erziehung zurückfordern müssen. In: Beuchling, Olaf/Ellis, Arthur K./Golz, Reinhard/Hasebe-Ludt, Erika (Eds.): International Dialogues on Education: Past and Present. Volume 2, Number 3: 63-70.
2015: The Social Position of Doctoral Candidates within the Academic Field: Comparative Considerations Regarding Doctoral Program Attrition in Germany and the USA. In: Beuchling, Olaf/Ellis, Arthur K./Golz, Reinhard/Hasebe-Ludt, Erika (Eds.): International Dialogues on Education: Past and Present Special Issue, Volume 2, Number 2: 44-54.
2015, mit Tanja Schulze und Susan Salzbrenner: Women in the Intercultural Profession: An underpaid Majority. In: Covarrubias Venegas, Barbara/Dalipi, Merlinda/León Darder, Fidel (Eds.): Refreshing the Cultural Paradigm. Sharing Stories, Theories and Next Practices. Mandelieur la Napoule: Sietar Europe: 86-94.
2015, mit Susan Salzbrenner und Tanja Schulze: A Status Report of the Intercultural Profession 2014. URL: https://fitacrosscultures.leadpages.net/statusreport/
2015 mit Susan Salzbrenner und Tanja Schulz: The Intercultural Profession in the Past Decade. In: Jia, Wenshan (Ed.): Intercultural Communication for an Inclusive Global Order. Preliminary Edition. San Diego: Cognella, Inc.: 511-524.
2014: Das Menschenbild von PIAAC. Eine sehr eingeschränkte Sicht auf den Menschen und auf Bildung. In: Magazin erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs. Ausgabe 23, 2014. Wien.
2012: Es wurde immer unschaffbarer. Promotionsabbruch als Konsequenz von Handlungsstrategien zur Reduktion von Unsicherheit - Eine Fallstudie zum Promotionsverlauf einer ausländischen Doktorandin. In: die hochschule. journal für wissenschaft und bildung. 1/2012.
2011, mit Roland Bloch, Anke Burkhardt, Claudia Kieslich, Reinhard Kreckel, Robert Schuster, Doreen Trümpler, Henning Schulze & Karin Zimmermann: Personalreform zwischen föderaler Möglichkeit und institutioneller Wirklichkeit. In: Pasternack, Peer (Hg.): Hochschulen nach der Föderalismusreform. Leipzig: Akademische Verlagsanstalt, S. 155-214.
2011, mit Monique Lathan und Robert Schuster: Skalenhandbuch für Untersuchungen der Lehrpraxis und der Lehrbedingungen an deutschen Hochschulen. Arbeitsbericht 4´11. Hrsg. vom Institut für Hochschulforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
2011, mit Claudia Kieslich, Doreen Trümpler und Robert Schuster: Entwicklung der universitären Personalstruktur im Kontext der Föderalismusreform. Arbeitsbericht 03'11. Hrsg. vom Institut für Hochschulforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Wittenberg.
2010, mit Roland Bloch und Carsten Würmann: Wer lehrt was unter welchen Bedingungen? Zur Struktur akademischer Lehre an deutschen Hochschulen. In: Zeitschrift für Hochschulmanagement 3/2010: 73-78.
2010: Das Menschenbild der PISA-Studie für Erwachsene: Grundlagen und Annahmen der internationalen OECD-Vergleichsstudie zur Messung des Kompetenzniveaus Erwachsener (PIAAC). Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller.
2010, mit Roland Bloch, Anke Burkhardt, Henning Schulze & Robert Schuster: Entwicklung und Reform der Struktur des wissenschaftlichen Hochschulpersonals. In: Pasternack, Peer (Hg.): Relativ prosperierend. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen: Die mitteldeutsche Region und ihre Hochschulen. Leipzig: Akademische Verlagsanstalt, S. 109-173.
2010, mit Doreen Trümpler: Landeshochschulgesetze und Lehrverpflichtungsverordnungen der Bundesländer. Informationen zu gesetzlichen Grundlagen, Lehrdeputaten der Angehörigen der verschiedenen Statusgruppen und Rahmenbedingungen, Bundesweite Übersicht. Institut für Hochschulforschung Wittenberg. Online unter: http://www.hof.uni-halle.de/fis/dokumentationen/hochschulsteuerung/lehrverpflichtungen/
2008, mit Johannes Moes und Karsten König: Nachwuchsförderung auf Landesebene. In: Burkhardt, Anke (Hg.): Wagnis Wissenschaft. Akademische Karrierewege und das Fördersystem in Deutschland. Leipzig: Akademische Verlagsanstalt, S. 401-473.
2008, mit Johannes Moes, Karsten König und Andreas Ostermaier: Nachwuchsförderung nach Trägern. In: Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.): Bundesnachwuchsbericht. Berlin, S. 138-227 (Bundesdrucksache 16/8491 BuWiN).
2007, mit Anke Burkhardt: Gesetzliche Grundlagen. Die Hochschulgesetze der ostdeutschen Bundesländer im Vergleich. In: Pasternack, Peer (Hg.): Stabilisierungsfaktoren und Innovationsagenturen. Die ostdeutschen Hochschulen und die zweite Phase des Aufbau Ost. Leipzig: Akademische Verlagsanstalt, S. 49-78.
2006, mit Karsten König: Die staatlich vereinbarte Promotion - Zum Prinzip der kontraktbasierten Hochschulsteuerung am Beispiel der Nachwuchsförderung. In: Kremberg, Barbara (Hg.): Mitbestimmung und Hochschule. Aachen, S. 45-58.
weitere Veröffentlichungen
Beitrag auf SWR2 Campus am 20.09.2014, 10:05 Uhr: Viele Promotionen scheitern. Online zu hören unter: http://www.swr.de/blog/wissenschaftaktuell/2014/09/20/viele-promotionen-scheitern-eine-doktorandin-erforscht-die-ursachen/
2014: Gescheiterte Wissenschaftskarrieren: Der Doktortitel kann mich mal. In: SPIEGEL ONLINE Unispiegel vom 11.08.2014. Online unter: http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/doktorarbeit-promovenden-verzweifeln-an-uni-und-promotion-a-983370.html
2014: Was Doktoranden frustriert Elitedünkel und Ellenbogen. In: duz Magazin 08/14. Online unter: http://www.duz.de/duz-magazin/2014/08/eliteduenkel-und-ellenbogen/263#sthash.5nu1ZdyZ.dpuf
Symbolischer Tod im wissenschaftlichen Feld. Eine Grounded-Theory-Studie zu Abbrüchen von Promotionsvorhaben in Deutschland.
Thema der Studie
Die Qualifikationsphase bis zur Promotion stand in den vergangenen Jahren im Zuge der Reformen im deutschen Hochschulwesen wiederholt im Fokus der hochschulpolitischen Debatte. Es wurden hohe Abbruchquoten vermutet und in diesem Zusammenhang die unzureichende Betreuung, eine unsystematische Ausbildung sowie Anschlussschwierigkeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses auf dem Arbeitsmarkt in der öffentlichen Diskussion beklagt (vgl. z. B. Wissenschaftsrat 2002, 2011; Mau und Gottschall 2008, S. 41f.). Obgleich auf der Ebene statistischer Bildungsberichterstattung unbekannt ist, wie viele Promotionsvorhaben in Deutschland tatsächlich unvollendet bleiben, verweisen bisherige Schätzungen auf eine (hohe) Abbruchquote zwischen 25 und 75 Prozent aller hierzulande begonnenen Promotionsvorhaben (vgl. Burkhardt 2008; Fabian et al. 2013). Die Arbeit an einem Promotionsvorhaben führt in Deutschland demzufolge mitnichten auch tatsächlich zur Promotion. Dennoch spielt das Phänomen „Abbrüche von Promotionsvorhaben“ in der Hochschulforschung lediglich eine randständige Rolle. Wie es zu Abbrüchen kommt und welche kritischen Ereignisse hierbei Bedeutung erlangen, dazu existieren bislang nur marginale Forschungsergebnisse. An eben jener Stelle setzt die Dissertation an.
Ziel der Studie
Mit der materialen, d. h. gegenstandsbezogenen Theorie des „sukzessiven Rückzugs bis zum symbolischen Tod im wissenschaftlichen Feld“ wird in dieser Studie mittels der Grounded Theory Methodologie nach Strauss und Corbin (vgl. 1996) eine Theorie zu Abbrüchen von Promotionsvorhaben in Deutschland grundständig entwickelt. Die Vielseitigkeit von Abbruch-verläufen unter Verzicht auf Typisierungen als Verkürzung der sozialen Realität im Sinne Bourdieus (1992: 46f.) steht dabei im Mittelpunkt. Entsprechend der Tradition des symbolischen Interaktionismus nimmt die Untersuchung die subjektiven Bedeutungen und Sinnzuschreibungen ehemaliger DoktorandInnen in den Blick, wobei die Rekonstruktion dieses subjektiven Sinns ihrer Handlungen in Bezug auf ihr Promotionsvorhaben die Grundlage für die Ausformung der materialen Theorie zu Abbrüchen bildet. Da die Untersuchung analog in die Bourdieusche Soziologie zur sozialen Welt, welche soziale Unterschiede als im Rahmen einer Struktur ungleicher Machtbeziehungen in sozialen Kämpfen konstruiert annimmt, eingebettet ist, ergeben sich durch die Analyse auch Anknüpfungspunkte für ein theoretisches „Nachdenken“ über das wissenschaftliche Feld und die Mechanismen zur Akkumulation wissenschaftlichen Kapitals.
Datenerhebung und -auswertung
Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen des theoriegenerierenden Erhebungsverfahrens „problemzentriertes Interview“ nach Witzel (2000). Neben den Interviews selbst kamen die von Witzel (ebd.: Abs. 5) vorgeschlagenen ergänzenden Erhebungsinstrumente „Kurzfragebogen“ zur Erfassung vor allem demographischer Informationen sowie „Postskripts“ zur Erinnerung an die Interviewsituation zur Anwendung. Ein Forschungstagebuch diente der Reflektion des Forschungsprozesses. Im Zeitraum von 2010 bis 2014 nahmen 16 ehemalige DoktorandInnen unterschiedlicher Fachrichtungen an der Untersuchung teil und erzählten die jeweilige „Abbruchgeschichte“ aus ihrer Perspektive. Die Auswertung der Daten wurde entsprechend des dreistufigen Kodierprozesses aus offenem, axialem und selektivem Kodieren nach Strauss und Corbin (1996: 43ff.) durchgeführt.
Ergebnisse
Der Abbruch von Promotionsvorhaben zeigt sich in dieser Studie fächerübergreifend als dynamischer Prozess, in welchem die DoktorandInnen infolge unterschiedlicher kritischer Ereignisse, darauf gerichteter Bewältigungsstrategien sowie entsprechender Konsequenzen sukzessive vermindert an ihrem Promotionsvorhaben arbeiten, bis sie das Vorhaben vollständig aufgeben. Parallel ziehen sich die betroffenen DoktorandInnen aus dem wissenschaftlichen Feld zurück und orientieren sich beruflich um bzw. neu.
Die Aufgabe eines Promotionsvorhabens erfolgt insgesamt weniger aufgrund abrupter und kurzfristiger Entscheidungen der Betroffenen. Es handelt sich bei einem Abbruch eher um das Ergebnis eines langwierigen und für die DoktorandInnen teilweise belastenden Entscheidungs-, Anpassungs- und Abwägungsprozesses, welcher mit großen Mühen verbunden ist. Selten ist ein einzelnes kritisches Ereignis als ursächlich für den Abbruch eines Promotionsvorhabens anzusehen. Vielmehr tritt zum einen eine Kumulation von verschiedenen abbruchbegünstigenden sowie -bremsenden Ereignissen auf und zum anderen sehen sich die DoktorandInnen im Verlauf oftmals mehrfach mit ähnlichen Ereignissen, z. B. die Betreuung oder die Bearbeitung betreffend, konfrontiert.
Ein Rückzugsprozess verläuft analytisch in sechs Phasen von der Irritation über die akute Stagnation, die eingeschränkte und teilweise später vollständige Wiederaufnahme der Bearbeitung des Vorhabens bis hin zur chronischen Stagnation und der Manifestation der Abbruchentscheidung. Je nach Phase des Abbruchprozesses treten unterschiedliche kritische Ereignisse auf. Wie der Prozess verläuft und welche Umgangsweisen zu beobachten sind, hängt von verschiedenen Rahmenbedingungen ab, die sich sowohl auf die individuellen Voraussetzungen der DoktorandInnen selbst als auch auf die institutionellen Modalitäten beziehen. Das Handeln der DoktorandInnen im Abbruchprozess findet außerdem im Kontext ihrer Überzeugungen, d. h. ihrer individuellen und supraindividuellen Bedeutungssysteme statt. Diese subjektiven Theorien betreffen erstens die Vorstellungen über die Wissenschaftswelt und über das Selbst. Zweitens sind die Handlungen der DoktorandInnen abhängig von der von ihnen wahrgenommenen Anerkennung aus dem wissenschaftlichen Feld, welche als supraindividuelle Theorie im Rahmen des strukturellen Kontexts der Wissenschaft Bedeutung erlangt. Die DoktorandInnen beteiligen sich im Verlauf aufgrund unterschiedlicher kritischer Ereignisse sukzessive weniger erfolgreich am sozialen Spiel um Anerkennung. Die ihnen zugewiesene Anerkennung geht im Verlauf des Abbruchprozesses, z. T. sogar bis hin zur Verwehrung, zurück. Die Anerkennung durch andere AkteurInnen des wissenschaftlichen Feldes, d. h. das akkumulierte Kapital, bestimmt jedoch den symbolischen „Wert“ eines/r AkteurIn im wissenschaftlichen Feld. Das Fehlen der Zuweisung von symbolischem Kapital im Verlauf sowie die ausbleibende weitere Zuweisung durch die nicht erreichte Promotion ist dann mit einem symbolischen Tod im wissenschaftlichen Feld, d. h. der sozialen Bedeutungslosigkeit der AkteurInnen, gleichzusetzen.
Veröffentlichungen
Franz, Anja (in Veröffentlichung 2018): Promotionsabbruch und die Verweigerung pädagogischer Begleitung. In: Baader, Meike S./Kamphans, Marion/Korff, Svea/Schröer, Wolfgang (Hrsg.): Promotionsprogramme als pädagogische Räume? Wiesbaden: Springer VS.
Franz, Anja (2018): Symbolischer Tod im wissenschaftlichen Feld. Eine Grounded-Theory-Studie zu Abbrüchen von Promotionsvorhaben in Deutschland. Wiesbaden: Springer VS.
Franz, Anja (2017): Von der Irritation bis zur Abbruchentscheidung. Kritische Ereignisse im Abbruchprozess von Promotionsvorhaben. In: Magdeburger Beiträge für Hochschulentwicklung. Nr. 6/August 2017: 6-17.
Franz, Anja (2015): The Social Position of Doctoral Candidates within the Academic Field: Comparative Considerations Regarding Doctoral Program Attrition in Germany and the USA. In: Beuchling, Olaf/Ellis, Arthur K./Golz, Reinhard/Hasebe-Ludt, Erika (Eds.): International Dialogues on Education: Past and Present Special Issue, Volume 2, Number 2: 44-54.
Beitrag auf SWR2 Campus am 20.09.2014, 10:05 Uhr: Viele Promotionen scheitern. Online zu hören unter: http://www.swr.de/blog/wissenschaftaktuell/2014/09/20/viele-promotionen-scheitern-eine-doktorandin-erforscht-die-ursachen/
Franz, Anja (2014): Gescheiterte Wissenschaftskarrieren: Der Doktortitel kann mich mal. In: SPIEGEL ONLINE Unispiegel vom 11.08.2014. Online unter: http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/doktorarbeit-promovenden-verzweifeln-an-uni-und-promotion-a-983370.html
Franz, Anja (2014): Was Doktoranden frustriert Elitedünkel und Ellenbogen. In: duz Magazin 08/14. Online unter: http://www.duz.de/duz-magazin/2014/08/eliteduenkel-und-ellenbogen/263#sthash.5nu1ZdyZ.dpuf
Franz, Anja (2012): Es wurde immer unschaffbarer. Promotionsabbruch als Konsequenz von Handlungsstrategien zur Reduktion von Unsicherheit - Eine Fallstudie zum Promotionsverlauf einer ausländischen Doktorandin. In: die hochschule. journal für wissenschaft und bildung. 1/2012.
Literatur
Bourdieu, P. (1975): The Specificity of the Scientific Field and the Social Conditions of the Progress of Reason. In: Social Science Information, 14: 19-47.
Bourdieu, P. (1992): Homo Academicus. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag.
Burkhardt, A. (2008) (Hg.): Wagnis Wissenschaft. Akademische Karrierewege und das Fördersystem in Deutschland. Leipzig: Akademische Verlagsanstalt.
Fabian, G./Rehn, T./Brandt, G./Briedis, K. (2013): Karriere mit Hochschulabschluss? Hochschulabsolventinnen und absolventen des Prüfungsjahrgangs 2001 zehn Jahre nach dem Studienabschluss. Forum Hochschule 10/2013. Hannover: Hochschul-Informations-System GmbH.
Filipp, S.-H. (1995): Kritische Lebensereignisse. Weinheim: Psychologie Verlags Union.
Filipp, S.-H./Aymanns, P. (2009): Kritische Lebensereignisse und Lebenskrisen: Vom Umgang mit den Schattenseiten des Lebens. Stuttgart: Kohlhammer Verlag.
Mau, S./Gottschall, K. (2008): Strukturierte Promotionsprogramme in den Sozialwissenschaften. In: Soziologie, 37: 41-60.
Strauss, A./Corbin, J. (1996): Grounded Theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Psychologische Verlags Union.
Wissenschaftsrat (2002) (Hg.): Empfehlungen zur Doktorandenausbildung. Saarbrücken: Geschäftsstelle des Wissenschaftsrats. URL: http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5459-02.pdf (Zugriff am 19.12.2016).
Wissenschaftsrat (2011) (Hg.): Anforderungen an die Qualitätssicherung der Promotion. Positionspapier des Wissenschaftsrates. Köln: Geschäftsstelle des Wissenschaftsrats. URL: http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/1704-11.pdf (Zugriff am 19.12.2016).
Witzel, A. (2000): Das problemzentrierte Interview. In: Forum Qualitative Sozialforschung, 1(1) 2000, Art. 22. URL: http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/1132/2519 (Zugriff am 05.09.2016).
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